Kampf gegen die Konjunkturflaute
In einem aktuellen Artikel DER ZEIT äußert sich Dr. Klaus Eierhoff (Vorsitzender der Geschäftsführung der TEMPTON Group) über die Konjunkturprognosen für den deutschen Mittelstand.
Während die großen Wirtschaftsforschungsinstitute einen Abschwung prophezeien, trotzen Unternehmer im deutschen Mittelstand dem makroökonomischen Trend.
Als Heinrich Otterpohl im Mai die Fernsehbilder aus der Ukraine sah, ahnte er, dass es nichts werden würde mit seinem Großauftrag. Eine Graphit-Produktionsanlage im Wert von sieben Millionen Euro wollte er dorthin liefern. Der Kunde war ein Maschinenbau-Unternehmen.
Ein Auftrag in der Größenordnung hätte in den vergangenen Jahren fast dem gesamten Jahresumsatz von AEG Industrial Engineering entsprochen, der Firma, bei der Otterpohl Vorstandsvorsitzender ist. Doch weil in der Ukraine Milizen mit russischer Unterstützung gegen die Armee kämpfen, hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ihre Finanzierung für den ukrainischen Maschinenbauer erst einmal gestoppt. „Wir müssen jetzt abwarten, wie sich die Lage vor Ort entwickelt”, sagt Otterpohl.
Er hofft zwar, dass die Finanzierung im September wieder freigegeben wird. Angesichts der neuesten Berichte über einen Einmarsch der russischen Armee scheint das aber unwahrscheinlich.
Die Situation von Heinrich Otterpohl haben Wirtschaftsforscher vor Augen, wenn sie von „ungünstigen Nachrichten aus dem internationalen Umfeld” sprechen, die der Konjunktur schaden, wie es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank heißt. Die schlechten Nachrichten kommen nicht nur aus der Ukraine. Welche Sanktionen beschließt die EU und wie antwortet Russland? Was passiert im Irak und in Syrien? Wie entwickeln sich die krisengebeutelten europäischen Staaten? Wächst China weiter so stark?
Die geopolitischen Krisen scheinen die gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft zerstört zu haben. Der Konjunkturindex des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fiel im August zum achten Mal in Folge. Auch der Index des Ifo-Instituts sank, die deutsche Wirtschaft verliere weiter an Kraft, hieß es dort. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt bereits vor einer Rezession. Auch im dritten Quartal könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt sinken. Damit wäre nach dem Rückgang von 0,2 Prozent von April bis Juni die technische Definition einer Rezession erfüllt.
„Gute Aussichten”
Die Unternehmen versuchen sich gegen den Trend zu stemmen, vor allem im deutschen Mittelstand. Wie spüren sie diese weltweiten Krisen? Wie gehen sie damit um? Haben sie Angst vor einem neuen Wirtschaftseinbruch? Wir haben nachgefragt.
Das Ergebnis: Die Konjunkturzahlen spiegeln den Alltag der Firmen nicht unbedingt wider. Klaus Eierhoff, Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma Tempton, vertraut lieber seiner eigenen Branche als Frühindikator. Denn die Zeitarbeitsvermittler merken es meistens als erste, wenn sich die Auftragslage in anderen Wirtschaftsbereichen verändert. „Wir spüren zwar die Unsicherheit”, sagt Klaus Eierhoff, „Aber der Mittelstand hat gute Aussichten.”
Die europäischen Krisenländer erholten sich langsam, die Inflation sei niedrig, der Konsum stark und auch die Indikatoren der Forschungsinstitute seien zwar gesunken, aber doch noch auf einem sehr hohen Niveau. Und sowieso: Die kurzfristigen Prognosen von ZEW, Ifo und Co. hält Eierhoff nur für bedingt aussagekräftig. „Das ist so, als wenn man sich bei einem Unternehmen nur die Tagesumsätze anschaut”, so Eierhoff. „Wir neigen da ein Stück weit zur Übertreibung, da wäre eher Gelassenheit angebracht.”
„Trübsal blasen hilft nicht”
Mit seiner Skepsis gegenüber den Konjunkturindikatoren ist Eierhoff nicht alleine. „Es kommen zu viele Daten in zu kurzer Zeit raus und wir bauen dann darauf unsere Strategien auf. Manchmal wünsche ich mir da ein bisschen mehr Reflexion. Man muss nicht auf jede Nachricht immer sofort reagieren”, sagt Oliver Fössleitner, Managing Director des Logistikunternehmens Seabridge. Denn gerade im Mittelstand sei es eine Stärke, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Fössleitner sieht sich und andere Mittelständler deshalb in unsicheren Zeiten in einer vorteilhaften Lage. Da die Unternehmen nicht so groß seien, könnten sie sich schneller umorientieren und Geschäfte, die an einer Stelle wegbrechen, an anderer Stelle dazugewinnen. „Trübsal blasen hilft nicht. Es gibt immer Gelegenheiten auf anderen Märkten Fuß zu fassen und neue Kunden zu gewinnen”, sagt Fössleitner.
Diese Strategie verfolgt auch Günter Bleimann-Gather, Gründer und Vorstandsvorsitzender von TEMA Technologiemarketing. Sein Unternehmen organisiert Kongresse auf der ganzen Welt. Und wenn es in einem Land nicht mehr so läuft, muss er eben auf ein anderes ausweichen. Während in Russland beispielsweise die Marketingbudgets der Unternehmen und damit auch die Umsätze seiner Firma schrumpfen, baut er das Geschäft in Brasilien und den USA aus. Und auch zuvor schwächelnde Länder in Europa werden wieder interessant. „Vor fünf Jahren war das Geschäft in Spanien ganz tot, heute sehe ich dort eine Stabilisierung und eine Reihe von neuen Aufträgen”, sagt der TEMA-Gründer.
China oder Chile? Hauptsache neue Geschäfte
In der Vergangenheit war auch China ein Markt, auf den sich die deutsche Wirtschaft immer verlassen konnte, wenn es anderswo nicht lief. Zweistellige Wachstumsraten waren nahezu garantiert und deutsche Wertarbeit hochgeschätzt. Doch diese Entwicklung scheint sich zumindest zu verlangsamen. „In China schwächelt es an vielen Stellen”, sagt Günter Bleimann-Gather. Sein Unternehmen organisierte dort unter anderem Kongresse für die Stahlindustrie. Eine geplante große Tagung in Shanghai musste er aber absagen. Die Unternehmen in China klagten unter anderem über zu knappe Budgets, um den Kongress sponsern zu können.
Das merken auch die großen Spieler in der Weltwirtschaft. Dax-Unternehmen wie BASF (-17,9 Prozent), Daimler (-0,7 Prozent) und Siemens (-3,3 Prozent) haben an Umsatzwachstum eingebüßt, hat die Unternehmensberatung EAC International Consulting berechnet. Zum einen weil chinesische Firmen den deutschen Wissensvorsprung soweit aufgeholt haben, um selbst im eigenen Land wettbewerbsfähig zu sein. Zum anderen, weil die chinesische Regierung einen gemäßigten, nachhaltigeren Wachstumskurs anstrebe, sagt Daniel Berger, EAC-Partner in Shanghai. „Ein überzogener Pessimismus in Bezug auf China ist aber fehl am Platze”, so Berger.
All diese möglichen Strategien helfen beim ukrainischen Millionenauftrag von Heinrich Otterpohl, Vorstandsvorsitzender der AEG Industrial Engineering, nur begrenzt weiter. „Mein Ziel ist es, ein Auftragsvolumen von 20 Millionen Euro zu erreichen. Das können wir schaffen, wenn wir in anderen Ländern wachsen”, sagt der Unternehmer. „Es liegt nicht alles in der Ukraine.” Er habe Projekte von Korea bis Südamerika, so Otterpohl. In Chile zum Beispiel laufe das Geschäft gerade gut an.